Vom Bobpilot zum Frachtpilot:

Gelb, rot, gelb sind alle meine …

InMotion: Nico, du hast deine Karriere zum Ende der vorvergangenen Saison beendet, um dann aber gleich wieder durchzustarten – und zwar buchstäblich: Du gehst künftig in die Luft statt in den Eiskanal. Wie kommt es zu diesem Rollentausch?
Nico Walther: Ganz einfach, die Fliegerei ist ein absoluter Kindheitstraum von mir! Mir war immer klar: Wenn ich meine Wintersportlaufbahn einmal beende, dann will ich fliegen.

Gab es irgendein spezielles Aha-Erlebnis in deiner Kindheit?
Also ich bin ja in Altenberg aufgewachsen, an der Grenze zu Tschechien. Und da ist, als ich noch ganz klein war, praktisch täglich der Helikopter vom Bundesgrenzschutz gelandet; ich ging fast jedes Mal hin und hab mir alles ganz fasziniert angeschaut – ich glaube, da hat das schon angefangen. Seitdem muss ich immer, wenn was Fliegendes ist am Himmel, hochgucken (lacht).

Hast du diesen Traum auch schon während deiner aktiven Karriere im Bob ein Stück weit wahrgemacht?
Ja, nach Olympia 2018 habe ich mir meinen großen Traum erfüllt und den Privatpilotenschein gemacht. Mit kleinen einmotorigen Maschinen bin ich seitdem schon häufiger geflogen – meinen Traum, die Fliegerei zum Beruf zu machen, hat das voll bestätigt.

Was hat dich eigentlich bewogen, ausgerechnet zum Ende der Saison 2019/20 den Bob-Helm an den Nagel zu hängen? Die Altersgrenze hattest du mit damals 29 Jahren ja nun noch nicht unbedingt erreicht …
Das stimmt (schmunzelt), aber meine Karriere ging ja schon 1996 los, d. h. ich war immerhin gut 25 Jahre im Eiskanal unterwegs. Im Oktober 2019 erlitt ich dann eine ziemlich schwere Verletzung, bei einem Trainingssturz brach ich mir einen Brustwirbel. Da hat sich bei mir im Kopf etwas verändert – ich merkte bald, dass ich nicht mehr bereit war, dieses letzte Prozent Risiko zu gehen, das man braucht, um beim Bob- bzw. überhaupt im Profisport ganz vorn mitmischen zu können. Das war aber immer mein Anspruch! Ich wollte also aufhören, wenn es am schönsten ist, mit einer Medaille auf der Heimbahn.

Verständlich! Aber warum nun der Schritt in die Frachtfliegerei? Warum nicht lieber im Urlaubsflieger sitzen? Hat das was damit zu tun, dass DHL offizieller Premium-Partner des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland (BSD) ist?
Ach, der Grund liegt nahe, buchstäblich (lacht): Ich komme aus Sachsen, habe während meiner aktiven Karriere in Dresden gewohnt, um genau zu sein. Und der DHL-Hub liegt ja bekanntlich bei Leipzig, ist also sehr heimatnah und für mich bestens zu erreichen. Dazu kommt, dass die Luftfracht ein boomender Sektor ist, auch während der Pandemie geblieben ist, ganz anders als der Personenflugverkehr, wo man derzeit eher um Jobs fürchten muss. Mit Beziehungen zu DHL als Partner des BSD hat das also nix zu tun, ich habe mich ganz normal beworben.

Wie lief das ab?
Das war ganz schön schwierig: Es gab ein dreitägiges Auswahlverfahren, bei dem mein Mathematik-, Physik- und Englisch-Wissen abgefragt wurde. Ich musste räumliches und logisches Denkvermögen beweisen, im Simulator meine motorischen Grundvoraussetzungen für den Job zeigen und schließlich, am dritten Tag, ein Interview bestehen.

Offenbar mit Erfolg – im Mai 2020 hast du deine Ausbildung zum Berufsflieger begonnen, stimmt’s?
Genau, ich habe jetzt einen Ausbildungsvertrag im ALFA Programm in Kooperation mit AeroLogic in der Tasche. AeroLogic ist ein Joint Venture zwischen DHL Express und Lufthansa Cargo und unternimmt eben von Leipzig aus Frachtflüge in alle Welt, z.B. nach Hongkong oder Cincinnati in den USA. Aktuell hat die Gesellschaft sieben Boeing 777F in DHL-Lackierung im Einsatz. Dank dieses Vertrags konnte ich im Frühjahr 2020 – wegen Corona mit einer gewissen Verzögerung – meine zweijährige Ausbildung zum Berufspiloten bei einer Pilotenschule in Essen beginnen.

Und wie schaut die Ausbildung konkret aus?
Also zunächst geht es um viel Theorie bzw. allgemeine Themen wie Navigation, Meteorologie oder Luftrecht. Aber natürlich muss man auch die Praxis erlernen: Anfangs trainiert man in Kleinmaschinen, erst relativ spät in der Ausbildung sitzt man dann wirklich im großen Jet. Dazu kommen viele, viele Stunden im Simulator.

Wann bist Du fertig und kannst endlich von Leipzig aus abheben?
Also die Theorie-Abschlussprüfung stand schon 2021 im Sommer an – und die ist echt heftig: Man wird in 14 Fächern geprüft und muss sich einen Fragenkatalog mit rund 15.000 Fragen einverleiben. Aber: Ich habe im ersten Versuch mit Bravour bestanden (lacht). Die Praxisprüfung erfolgt dann ganz am Ende, also im Frühjahr 2022, auf einer zweimotorigen Propellermaschine. Da darf man sich natürlich auch absolut keinen Fehler erlauben. Bis dahin heißt es: üben, üben, üben!  Dann will ich wieder nach Dresden ziehen und, genau, von Leipzig aus im DHL-Jet in alle Welt starten.

Lieber Nico, wir wünschen viel Spaß und Erfolg bei deiner Ausbildung!

Wir von InMotion bleiben bei Nicos neuer Karriere auf jeden Fall mit am Ball – auf dieser Seite werden wir regelmäßig berichten, wie es Nico als angehender DHL-Pilot geht und welche Fortschritte seine Ausbildung macht. Also am besten einfach immer wieder mal vorbeischauen.

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